Kinderwägen im Treppenhaus – eine rechtliche Gratwanderung zwischen Alltag und Eigentum
- Sebastian Ehrhardt
- 4. Juni
- 2 Min. Lesezeit

Wenn es in Ihrer Wohnanlage viele Kinder, aber keinen Aufzug gibt, werden Sie das kennen: Kinderwägen stehen im Hausflur, auf dem Podest, im Eingangsbereich oder auf anderen Gemeinschaftsflächen. Manchmal auch gut sichtbar – oder im Weg. Praktisch für junge Familien, potenziell störend oder sogar gefährlich für andere Bewohner.
Was ist erlaubt – und was nicht?
Das Thema ist rechtlich nicht eindeutig geregelt – und genau deshalb regelmäßig Zündstoff in Eigentümerversammlungen. Im Grundsatz gilt:
Gemeinschaftsflächen wie Treppenhäuser, Flure oder Hauseingänge dürfen nur mit Zustimmung der Gemeinschaft genutzt werden.
Das dauerhafte Abstellen eines Kinderwagens im Treppenhaus ist nur dann zulässig, wenn die Eigentümer dies ausdrücklich oder konkludent (durch Duldung) gestattet haben.
Brandschutzverordnungen und Fluchtwegsicherung können ein Abstellen sogar vollständig untersagen – und das unabhängig von einem Beschluss.
Aktuelles Urteil zur Kinderwagengarage schafft Klarheit
Ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg (10.04.2025, Az. 980b C 16/24 WEG) bringt Licht in die juristische Grauzone – zumindest, wenn es um eine geplante und temporäre Lösung geht.
Der Fall: Eine Eigentümergemeinschaft genehmigte das zeitlich befristete Aufstellen einer Kinderwagengarage (Maße: ca. 1,2 x 2 x 1,35 m) für einen Doppelkinderwagen. Der Grund: Der Wagen ließ sich realistischerweise nicht über das Treppenhaus transportieren. Die Garage sollte auf einer geeigneten Gemeinschaftsfläche außerhalb des Hauses platziert werden.
Eine angrenzende Gewerbeeinheit klagte – und verlor. Das Gericht stellte klar: Es handelt sich nicht um eine bauliche Veränderung, sondern um eine zulässige Regelung zur Nutzung des Gemeinschaftseigentums. Entscheidend war:
Die Nutzung war zeitlich begrenzt.
Die bauliche Substanz blieb unangetastet.
Der Beschluss entsprach der goldenen Grundregel der gegenseitigen Rücksichtnahme.
Und was heißt das für Kinderwägen im Hausflur?
Solche temporären Garagen sind die Ausnahme – in der Regel landen Kinderwägen ungeplant im Treppenhaus. Das kann schnell zu Problemen führen:
Brandschutz: Treppenräume müssen in der Regel als Fluchtweg frei bleiben.
Gefahrensituationen: Ältere Bewohner oder Menschen mit Behinderung können durch abgestellte Wagen behindert werden.
Gleichheitsfragen: Dürfen die einen den Flur nutzen und die anderen nicht?
Hier sind klare Regeln, bestenfalls durch einen Beschluss der Eigentümerversammlung, notwendig. Möglich sind z. B.:
Zuweisung eines festen Abstellplatzes
Aufstellung einer (abschließbaren) Kinderwagengarage
Temporäre Nutzung zu bestimmten Uhrzeiten
Oder: Ein vollständiges Verbot, wenn z. B. der Brandschutz es erfordert
Fazit: Zwischen Kinderfreundlichkeit und Eigentumsordnung braucht es Augenmaß
Kinderwägen im Treppenhaus sind kein böser Wille, sondern oft schlichte Notwendigkeit. Aber: Rücksicht endet dort, wo Sicherheit oder gleiches Recht für alle gefährdet sind.
Das Urteil aus Hamburg zeigt: Temporäre, gemeinschaftlich beschlossene Lösungen wie Kinderwagengaragen können ein gangbarer Weg sein. Sie schaffen Platz, erhalten die Ordnung – und entlasten den Alltag von Familien.
Unser Tipp für Eigentümergemeinschaften und Verwaltungen:
Lösungen aktiv gestalten, nicht passiv dulden.
Rechtssicherheit durch klare Beschlüsse schaffen.
Immer die goldene Regel im Blick behalten: Rücksichtnahme.
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